Maida Zeric 18.12.2023 4 Minuten und 40 Sekunden

Dürre am Amazonas: Wie historisch niedrige Pegelstände die globale Seefracht herausfordern

Eine Lebensader der Region in Gefahr

In den Tiefen des Amazonas hat sich eine stille, doch umso dramatischere Veränderung vollzogen. Seit eine historische Dürre das Herz des größten Regenwaldes der Erde erfasst hat, zeigt sie eindrücklich, wie die Verwundbarkeit der Natur unmittelbar mit unserer globalisierten Welt verflochten ist. Unlängst brachten die niedrigen Pegelstände die Schifffahrt am Hafen von Manaus zum Erliegen – an einem der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte für die gesamte Amazonasregion sowie für den internationalen Handel. Dies ist sowohl ein ökologisches Alarmzeichen als auch ein Spiegelbild der komplexen Herausforderungen, mit denen unsere moderne Gesellschaft konfrontiert ist. Aus unserer Perspektive als internationale Seefracht-Spedition müssen wir uns fragen: Wie können wir in einer vernetzten Welt kollektiv künftig darauf reagieren, wenn ein lokales Naturphänomen weitreichende Folgen für die globale Wirtschaft haben kann – und welche Lehren können wir aus der jetzigen Situation ziehen?

Amazonas Landschaft
Wenn man die Amazonas-Landschaft bei Manaus von oben betrachtet, versteht man, warum Sie ihrer Bezeichnung als Lebensader gerecht wird | (c) Anna ART - stock.adobe.com

Ein fragiles Gleichgewicht mit weltweiter Bedeutung

Wenn wir über den Amazonas sprechen, sprechen wir nicht bloß über einen Fluss oder ein Waldgebiet, sondern über ein komplexes Ökosystem. Es besteht seit Jahrtausenden und beeinflusst maßgeblich das Gleichgewicht unseres Planeten. Wenn wir dieses immense Netzwerk aus Flüssen, Flora und Fauna betrachten, sehen wir ein lebendiges Archiv der Evolution und ein vitales Organ der Erde. Auch in der globalen Klimaregulierung spielen der Amazonas und sein Regenwald bekanntermaßen eine große Rolle.

Umso deutlicher wird, dass die Dürre im Amazonas nicht bloß ein vorübergehendes Wetterphänomen ist. Sie führt zu katastrophalen Folgen für die lokale Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Lebensweise der lokalen Bevölkerung, die von diesem Flusssystem abhängig ist. Womöglich könnte die extreme Trockenheit und die damit verbundenen ökologischen Veränderungen auch einen Wendepunkt darstellen, an dem das Ökosystem irreparable Schäden erleidet – regional wie global mit weitreichenden Konsequenzen.

Auch in der Entwicklung des globalen Handels spielt der mächtige Amazonas seit jeher eine Schlüsselrolle. Als einer der längsten und wasserreichsten Flüsse der Welt bildet er eine Lebensader, die entscheidend ist für den Transport von Waren und Rohstoffen in und aus der Amazonasregion. Wie nun deutlich wird, hat die ökologische Rolle des Amazonas zwangsläufig auch direkte Auswirkungen auf die globalen Handelsrouten der Seefracht.

Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro
Unter normalen Bedingungen bildet der Hafen von Manaus am Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro das Tor zur Welt für den brasilianischen Handel | (c) PhotoSpirit - stock.adobe.com

Manaus: Eine Wirtschaftsader am Rande des Stillstands

Richten wir den Blick nach Manaus: Die Millionenstadt ist tief im Herzen des Amazonasbeckens gelegen. Dort, wo Rio Negro und Amazonas zusammenfließen, beherbergt Manaus einen der wichtigsten Flusshäfen Brasiliens. Dessen einzigartige Lage macht ihn zum zentralen Handelspunkt für Güter, die in die Amazonasregion transportiert oder von dort exportiert werden. Der Hafen dient als Umschlagplatz für eine Vielzahl von Produkten – von lokalen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bis hin zu internationalen Industriegütern.

Selbstredend, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Hafens von Manaus kaum überschätzt werden kann – sowohl für die lokale Wirtschaft als auch für das gesamte brasilianische Handelssystem. Er eröffnet den den Zugang zu internationalen Märkten für brasilianische Produkte und ist gleichzeitig ein wichtiger Eingangspunkt für Importe, die für die brasilianische Industrie und den Konsum notwendig sind. Mit modernen Umschlaganlagen ausgestattet, ist der Hafen von Manaus in der Lage, eine große Bandbreite von Frachtschiffen abzufertigen. Dazu gehören Container-, Massengut- und Tankerschiffe, die Rohstoffe, verarbeitete Produkte und andere wichtige Güter transportieren. Er verfügt zudem über spezialisierte Terminals, Lagerhäuser und Logistikeinrichtungen, die eine effiziente Abwicklung des Frachtverkehrs ermöglichen.

Dürre am Hafen von Manaus
Der Hafen von Manaus ist gezeichnet von der extremsten Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen | (c) Mrcia - stock.adobe.com

Die stark reduzierten Wasserstände des Amazonas und seiner Zuflüsse erschweren den Zugang für größere Schiffe und beeinträchtigen somit die operative Kapazität des Hafens. Schon im Oktober 2023 sank der Wasserstand im Hafen von Manaus auf gerade einmal 13,5 Meter. Zum Vergleich: Im Juni 2021 markierte der Pegel mit 30,02 Metern den Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen. Somit hatte die Dürre schnell weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette, inklusive Verzögerungen, Umleitungen und zusätzlicher Kosten.

Herausforderungen wie diese zeigen, dass es in Zukunft umso mehr auf klimaresiliente Handelswege und adaptive Logistikstrategien ankommen wird, wenn wir möchten, dass bedeutende Knotenpunkte der lokalen und weltweiten Logistik weiterhin effizient funktionieren sollen. Akut waren es „nur“ alternative Routen und Transportmethoden, mit denen Versorgungsketten aufrechterhalten werden. Auf Dauer wird die globale Logistikbranche jedoch dazu gezwungen sein, umzudenken.

Dürre Amazonasgebiet Manaus
Die niedrigen Pegelstände verlangten nach einem grundlegenden Umdenken bei den logistischen Abläufen, sofern der Warentransport nicht völlig zum Erliegen kommen sollte | (c) Imago Photo - stock.adobe.com

Wie ist Transway konkret mit den Auswirkungen der Amazonas-Dürre umgegangen?

Der kritische Tiefstand der Wasserpegel hatte direkte Auswirkungen auf den Betrieb von Containerschiffen. Der Hafen von Manaus wurde somit unzugänglich für die üblicherweise dort operierenden Schiffe. Schon Ende Oktober 2023 erreichten uns Meldungen von Reedereien, dass diese ihre Betriebsabläufe signifikant anpassen müssen. Die Situation zwang sie und damit auch uns als Spedition, schnell zu reagieren und adaptive Maßnahmen zu ergreifen.

Da der Manaus Shuttle Service vorübergehend eingestellt werden musste, mussten Logistikrouten neu gedacht werden. Fracht, die für Manaus bestimmt war, musste zwangsläufig an anderen Häfen entladen und dort zwischengelagert werden, ohne dass zunächst präzise Angaben über Weiterleitung oder Zeitpläne gemacht werden konnten. Für bereits auf dem Wasser befindliche oder am Kai stehende Container wurden von Seite der Reedereien verschiedene Optionen angeboten, einschließlich kostenloser Änderung des Lieferorts (Change of Destination, COD) unter bestimmten Bedingungen.

Als Reaktion auf den niedrigen Wasserstand erhoben die Reedereien auch eine „Low Water Surcharge“. Hierbei handelt es sich um einen Niedrigwasserzuschlag, um die gestiegenen Betriebskosten, verursacht durch Umleitungen, längere Transportwege und möglicherweise den Einsatz alternativer Transportmittel, auszugleichen. Für Spediteure und Logistikkunden bedeutete dies eine Anpassung an höhere Kosten und veränderte Lieferzeiten.

Barges-Lastschiffe
Flachbodige Lastkähne stellten eine von wenigen Option dar, um den Containertransport aufrechtzuerhalten | (c) Richard Cff - stock.adobe.com

Angesichts der Unvorhersehbarkeit der Dürresituation und den damit verbundenen Verzögerungen boten die Reedereien außerdem „Delay in Transit“ (DIT) -Optionen an. Diese ermöglichen es, die Fracht an einem Zwischenstopp zu lagern, bis die Weiterleitung möglich ist. Sie bieten eine flexible Lösung für Situationen, in denen der ursprünglich geplante Transportweg nicht mehr durchführbar ist, wie im konkreten Fall der Unzugänglichkeit des Hafens von Manaus. Durch die DIT-Optionen konnte die Fracht in Bewegung gehalten werden, was gleichzeitig die Unannehmlichkeiten und Kosten begrenzt, die durch weitere Verzögerungen entstehen könnten.

In dieser herausfordernden Situation kamen außerdem sogenannte „Barges“, also Lastkähne, als adaptive Maßnahme zum Einsatz. Bei Barges handelt es sich flachbodige Schiffe, die besonders geeignet für Gewässer mit geringer Tiefe sind. Sie können in Gebieten navigieren, die für größere Containerschiffe unzugänglich geworden sind. Die Nutzung von Barges ermöglichte es, Fracht von größeren Schiffen, die in tieferen Gewässern ankern mussten, aufzunehmen und zu den nunmehr erreichbaren Anlegestellen zu transportieren. Dieser Prozess, bekannt als Transshipment, war entscheidend, um die logistische Kette aufrechtzuerhalten und die Versorgung der Region zu sichern – trotz der widrigen Bedingungen.

Fazit: Nachhaltigkeit und Resilienz sind gefragt

Die Situation am Amazonas könnte uns nicht deutlicher vor Augen führen, dass wir als internationale Seefracht-Spedition nicht bloß ein Teil einer globalen Wirtschaftskette sind, sondern auch unmittelbar abhängig von der Funktion eines globalen Ökosystems. Unsere Entscheidungen und Handlungen haben direkte Auswirkungen auf die Umwelt und umgekehrt. Die Wasserknappheit am Amazonas ist kein entferntes, isoliertes Ereignis. Die Auswirkungen der Dürre auf den Handel verdeutlichen die untrennbare Verbindung zwischen Umwelt, Wirtschaft und der Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken. Auf kurze Sicht bringt sie uns dazu, ebenso kurzfristige Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden. Das können in diesem spezifischen Fall alternative Transportmethoden oder erweiterte Logistiknetzwerke sein, um flexibel zu bleiben.

Mittel- bis langfristig wird es für alle Akteure der Logistikbranche jedoch unumgänglich sein, die Rolle und Verantwortung in einem global vernetzten Ökosystem zu überdenken, umweltfreundlichere, effizientere Technologien zu nutzen und damit die Geschäftsmodelle klimaresilient zu gestalten. Letztendlich muss der Transportsektor aber auch über Branchengrenzen hinwegsehen und Partnerschaften mit lokalen Akteuren und globalen Organisationen weiter stärken, um die Herausforderungen in unterschiedlichen Regionen der Welt besser zu versehen und Lösungen dafür zu erarbeiten. Nur so können wir sicherstellen, dass unser Geschäft nicht nur heute, sondern auch in einer sich stetig verändernden Welt von morgen erfolgreich und verantwortungsbewusst agieren kann.

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