Maida Zeric 19.01.2024 4 Minuten und 47 Sekunden

Angriffe der Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe

Wie die Eskalation im Roten Meer die internationale Seefracht herausfordert

In den letzten Wochen werden Erinnerungen an Ereignisse wach, die sich bereits vor über einem Jahrzehnt in ähnlicher Form zugetragen haben: Angriffe mit Waffengewalt auf die internationale Seeschifffahrt. Noch in den 2010er Jahren verbreiteten somalische Piraten in einfachen Booten, ausgerüstet mit Maschinengewehren, ein paar Raketenwerfern und Enterleitern, Angst und Schrecken am Horn von Afrika. Doch die Huthi-Rebellen im Jemen, die in diesem Jahr bereits mehrere Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer verübt haben, sind sowohl militärisch organisiert als auch im Besitz eines großen und modernen Waffenarsenals, das den globalen Warentransport auf einer der wichtigsten maritimen Handelsrouten der Welt zum Erliegen zu bringen vermag. Schon jetzt meiden etliche Containerschiffe die Gefahrenzone.

Huthi Angriffe Rotes Meer Jemen
Buchstäblich gefährliches Fahrwasser: Der Bab al-Mandab, auf Deutsch: ‚Tor der Tränen' ist eine Meerenge, die das Rote Meer mit dem Golf von Aden verbindet

Hintergrund: Was steckt hinter den Angriffen der Huthi-Rebellen?

Die jüngsten Geschehnisse im Roten Meer könnten nicht deutlicher aufzeigen, wie eng der internationale Seeverkehr mit komplexen weltpolitischen Entwicklungen verflochten ist. In der Militanz der massiv vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen spiegelt sich laut eigenen Angaben die Reaktion auf die kriegerischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen wider. So wollen sie mit Angriffen auf Frachtschiffe, die zwischen dem Golf von Aden und dem Suez-Kanal unterwegs sind, unter anderem Druck auf Israel ausüben, den Gaza-Krieg zu beenden.

Welche Bedeutung diese Handelsroute hat, kann bereits an einem Aspekt festgemacht werden: Es ist der kürzeste Seeweg von Europa nach Asien. Nicht weniger als zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen deshalb allein über das Rote Meer. Bereits jetzt haben die USA und Großbritannien als Reaktion auf die wochenlangen Angriffe auf Handelsschiffe wiederum Stellungen der Huthi-Milizen angegriffen. Die EU-Außenminister werden bei einem Treffen am 20. Januar darüber entscheiden, inwieweit sich die Europäische Union selbst am US-Militäreinsatz ‚Prosperity Guardian‘ beteiligen wird, um den Schiffsverkehr zu sichern.

Maritime Sicherheit bewaffnet
Nicht zum ersten Mal ist bewaffnete maritime Sicherheit nötig ist, um Handelsschiffe beim Durchqueren dieser Region zu schützen | (c) momentscatcher - stock.adobe.com

Längere Lieferwege, höhere Kosten

Unabhängig von allen bisherigen Reaktionen und jenen, die noch kommen werden, haben die Huthi-Angriffe schon jetzt Folgen, die weit über die Decks der betroffenen Schiffe hinausreichen. Die International Maritime Organization (IMO) berichtete zunächst, dass der größte Teil aller Reedereien die wichtige Route durch das Rote Meer meidet und den Frachtverkehr durch das Rote Meer sowie den Golf von Aden auf unbestimmte Zeit eingestellt hat.

Doch mittlerweile weichen nur noch die wenigsten auf den Seeweg rund um das Kap der Guten Hoffnung aus. In der internationalen Logistik, in der es wie in kaum einer anderen Branche auf jede Minute und Seemeile ankommt, würde sich die wesentlich längere Route an Kapstadt vorbei auf Dauer sowohl zeitlich als auch finanziell massiv bemerkbar machen, bedingt durch höheren Brennstoffverbrauch, längere Nutzungszeiten und höhere Personalkosten. Faktoren wie diese wiegen schwer in der heutigen Just-in-Time-Wirtschaft.

Mittlerweile passieren nahezu alle Reeder wieder den Suez-Kanal beziehungsweise die Bad al-Mandab-Meerenge. Nur noch die wenigsten nehmen den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung – was aber nicht heißt, dass wieder Normalität eingekehrt wäre. Denn auch die Rückkehr auf die etablierte Route durch das Rote Meer ist mit entsprechend höheren Kosten verbunden. Die allgemeinen Raten sind gestiegen, zusätzlich werden Risikozuschläge erhoben, sowohl für Middle East, als auch den kompletten Eastbound-Bereich.

Ein untrügliches Zeichen dieser Entwicklung ist der Shanghai Containerized Freight Index (SCFI), der die Fluktuationen der Frachtraten abbildet. In den letzten Wochen hat der SCFI eine dramatische Kletterpartie hingelegt. Am 19. Januar erreichte der Index einen Stand von 2.239 Punkten – ein Niveau, das man seit September 2022 nicht mehr gesehen hat. Die Kosten für den Transport eines Containers haben sich in kürzester Zeit mehr als verdoppelt.

Besonders bemerkenswert ist, dass diese Preissteigerungen nicht nur Routen betreffen, die direkt durch das Rote Meer und den Suezkanal führen. Auch Verbindungen, die auf den ersten Blick von der Krise unberührt scheinen, spüren den Druck. Die Spotraten für Verschiffungen von Shanghai zur West- und Ostküste der USA sind um 9 und 10,5 Prozent auf 2.775 bzw. 3.931 US-Dollar pro Forty-Foot Equivalent Unit (FEU) gestiegen. Eine Fracht von Chinas größtem Hafen nach Dubai kostet nun 14 Prozent mehr. Selbst im Intra-Asien-Verkehr ist ein Anstieg von 25 Prozent zu verzeichnen.

Anpassungsfähigkeit ist gefragt

Als internationale Seefracht-Spedition müssen wir im täglichen Geschäft immer wieder mit dynamischen Veränderungen rechnen, die durch komplexe geopolitische Herausforderungen verursacht werden. So haben wir in all den Jahrzehnten auch gelernt, flexibel zu bleiben, unsere Strategien kontinuierlich anzupassen und bei Bedarf neu zu definieren.

So ist es auch jetzt – und gerade in diesen stürmischen Zeiten – für uns umso wichtiger, so eng wie möglich mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten, sowie transparent und offen zu kommunizieren, was etwa Verzögerungen, Kostenänderungen und alternative Routenoptionen betrifft. Dabei geht es uns nicht darum, bloß Probleme zu melden, sondern proaktiv Lösungen anzubieten und trotz aller Unwägbarkeiten realistische Erwartungen zu setzen.

Denn letztlich möchten wir nicht allein an der Fähigkeit gemessen werden, Güter zu transportieren. Herausforderungen wie die derzeitigen Angriffe auf den globalen Seeverkehr liefern uns Anlass zu beweisen, dass wir uns an die ständig verändernden Bedingungen anpassen können und dabei stets die Interessen unserer Kunden im Blick behalten.

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